Ein Teilnehmer von mir schreibt in einer Buchzusammenfassung:
Ich finde es nicht richtig immer alles zu akzeptieren. Ich denke da an die Arbeit, man wird früher oder später ausgenutzt, … Ich denke da an Beziehung, was, wenn ich mit dem nicht einverstanden bin, was der Partner macht, wenn man betrogen wird, … Ich denke da an mich, kann ich mich „richtig“ entfalten, wenn ich von meiner Umgebung alles akzeptiere? Kann ich mein Leben so gestalten, dass ich mich glücklich fühle? Wo bleibt man selbst?
Immer nur nachgeben und akzeptieren finde ich nicht die Lösung für einen selbst, selbst zu sein! Man sollte dem Partner schon sagen können, was man will/erwartet. Man sollte den Kollegen schon aufzeigen, was man leistet, was sich vereinbaren lässt.
Ich finde es richtig einen eigenen Standpunkt zu haben, der einen aber nicht starr werden lassen sollte.
Ich sehe die Sache etwas anders, folgend meine Antwort an ihn:
Mit akzeptieren meint man, dass man das, was geschehen ist annehmen sollte. Alles andere ist unmöglich, weil es schon geschehen ist. Man kann es nicht rückgängig machen und somit tatsächlich nur annehmen. Was man dann daraus macht, also jetzt in der Gegenwart, ist eine ganz andere Geschichte. Wer nämlich nicht akzeptiert, versucht im nachhinein die Vergangenheit zu ändern. Ein unmögliches Unterfangen. Dadurch jedoch wälzt man sich gedanklich nur noch in der Vergangenheit und formt damit seine Zukunft. So gesehen holt man das was man nicht wollte immer wieder ins Jetzt und auch in die mögliche Zukunft.
Stell dir vor du bekommst ab der Geburt weg vom Leben täglich 100 Bauklötze. Du wirst bauen, kreativ sein, Gutes und nicht so Gutes damit machen. Auch wirst du manche Bauklötze kaputt machen. Doch egal, täglich kommen neue ganz schöne Bauklötze in dein Leben. Doch was machst du, du drehst dich um und holst die alten kaputten Bauklötze hervor und baust wieder nur mit diesen. Du ignorierst die neuen Bauklötze, vielleicht nicht alle, doch viele. Und weil du mit den alten kaputten Bauklötzen baust, wird wieder was schief gehen. Würdest du jetzt einfach akzeptieren, dass du in der Vergangenheit Bauklötze kaputt gemacht hast und die dort lassen wo sie sind, dann könntest du dich täglich den neuen Bauklötzen zuwenden und wieder viel Gutes schaffen.
Kannst du gehen? Ja? Warum? Du konntest es als Baby nicht. Täglich hast du dich an anderen Menschen orientiert und versucht das Gehen zu lernen. Doch es hat monatelang nicht funktioniert. Jeder kleinste Versuch ist am Anfang gescheitert. Doch du hast es immer wieder versucht, Tag um Tag, von Sturz zu Sturz, trotz blauer Flecken, Schrammen und vielleicht hast auch mal dadurch geblutet. Und? War das ein Grund sich an der Vergangenheit zu orientieren? Nein, nie und nimmer. Du bist dran geblieben bis du es geschafft hast. Hättest du damals so gedacht wie du heute denkst, du würdest von einem Eck ins nächste fallen.
Lass dir das mal durch den Kopf gehen …
Antwort von ihm:
Ja, ich verstehen!
Resultat, ich soll Situationen die ich in meinen Leben nicht akzeptieren will, akzeptieren. Das Leben/den Augenblick so nehmen wie er ist.
Antwort von mir:
Hallo …,
ja und nein.
JA, weil es schon vorbei ist und dein „ich will nicht akzeptieren“ keine Lösung bietet, sondern das NEGATIVE in die Gegenwart holt. Dein „ich will die Situation nicht akzeptieren“ geht in Richtung „trotziges Kind“.
Interessanter wäre die Aussage „ich werde diese Situation nicht akzeptieren“. Hier wendest du dich der Zukunft zu.
NEIN, weil du erkennen könntest, dass das Vergangene nicht deinen Vorstellungen entspricht und du so etwas in deiner künftigen Gegenwart nicht mehr erleben möchtest.
Wenn du dir einen rostigen Nagel eingetreten hast, dann kannst du aktuell nichts anderes machen, als die Situation zu akzeptieren. Logisch, oder? Heißt aber nicht, dass du mit der Situation einverstanden bist. Ist ja eine – sorry – Scheiß-Situation mit vielleicht sogar sehr, sehr negativen Folgen einschließlich möglichem Tod durch eine Blutvergiftung. Dennoch musst du das was geschehen ist, akzeptieren. Jetzt stellt sich jedoch die Frage, was tust du um die Situation zu lösen …
Und ich glaube, da plagt dich derzeit dein Leben. An den möglichen Lösungen die erstens den rostigen Nagel entfernen, die Wunde säubern und den Heilprozess fördern. Irgendwann ist es vorbei und eine Narbe bleibt als Erinnerung. Jedoch tun die ersten Schritte ziemlich weh.
Mein Burnout war der rostige Nagel (über Monate angehäufte Überforderung die mit einem Burnout endete). Die Kündigung war die Entfernung des Nagels und das Säubern der Wunde. Die folgenden Monate wo ich kraftlos war und versuchte mein Business aufzubauen, der Heilprozess.
Nicht alle Lebenssituationen benötigen eine so radikale Veränderung. Oft reicht es schon, wenn wir uns in uns selbst ändern. Dann verändert sich auch alles im Außen. Doch die innere Veränderung beginnt halt mal mit der Akzeptanz.
Wie denkst du liebe/r Leser/in darüber? Freue mich auf Kommentare.
Alles Gute und eine schöne Zeit,
Wolfgang Reichl
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